Aktuelle Publikationen
Schicktanz, S., Welsch, J., Schweda, M., Hein, A., Rieger, J.W., Kirste, T. (2023): AI-Assisted Ethics? Considerations of AI Simulation for the Ethical Assessment and Design of Assistive Technologies. Frontiers in Genetics, ELSI (accepted).
Abstract: Current ethical debates on the use of artificial intelligence (AI) in health care treat AI as a product of technology in three ways. First, by assessing risks and potential benefits of currently developed AI-enabled products with ethical checklists; second, by proposing ex ante lists of ethical values seen as relevant for the design and development of assisting technology, and third, by promoting AI technology to use moral reasoning as part of the automation process. The dominance of these three perspectives in the discourse is demonstrated by a brief summary of the literature. Subsequently, we propose a fourth approach to AI, namely as a methodological tool to assist ethical reflection. We provide a concept of an AI-simulation informed by three separate elements: 1) stochastic human behavior models based on behavioral data for simulating realistic settings, 2) qualitative empirical data on value statements regarding internal policy, and 3) visualization components that aid in understanding the impact of changes in these variables. The potential of this approach is to inform an interdisciplinary field about anticipated ethical challenges or ethical trade-offs in concrete settings and, hence, to spark a re-evaluation of design and implementation plans. This may be particularly useful for applications that deal with extremely complex values and behavior or with limitations on the communication resources of affected persons (e.g., persons with dementia care or for care of persons with cognitive impairment). Simulation does not replace ethical reflection but does allow for detailed, context-sensitive analysis during the design process and prior to implementation. Finally, we discuss the inherently quantitative methods of analysis afforded by stochastic simulations as well as the potential for ethical discussions and how simulations with AI can improve traditional forms of thought experiments and future-oriented technology assessment.
Köhler, S., Görß, D., Kowe, A., Teipel, S. (2022): Matching values to technology: a value sensitive design approach to identify values and use cases of an assistive system for people with dementia in institutional care. Ethics and Information Technology, 24(3), 27.
Abstract: Die Zahl von Menschen mit Demenz nimmt weltweit zu. Gleichzeitig sind die Ressourcen von Familienangehörigen und professionellen Pflegekräften begrenzt. Unterstützenden Technologien sind ein vielversprechender Ansatz zur Entlastung der Pflegenden und zur Unterstützung von Menschen mit Demenz. Um den Nutzen und die Akzeptanz zu gewährleisten, sollten solche Technologien die Werte und Bedürfnisse der Nutzenden integrieren. Wir haben den Ansatz des werte-sensitiven Designs angewandt, um die Werte und Bedürfnisse der zukünftigen Nutzenden in Bezug auf unterstützende Technologien für Menschen mit Demenz in stationärer Pflege zu untersuchen. Auf der Grundlage halbstrukturierter Interviews mit Bewohner*innen/Patient*innen mit kognitiven Beeinträchtigungen, Angehörigen und Fachkräften des Gesundheitswesens (jeweils 10) haben wir 44 Werte ermittelt, die in 18 Kernwerten zusammengefasst sind. Aus diesen Kernwerten haben wir ein Wertenetzwerk erstellt, um die Wechselwirkung zwischen den Werten aufzuzeigen. Das Zentrum dieses Netzwerks bilden Fürsorge und Empathie als am stärksten interagierende Werte. Darüber ermittelten wir 36 Unterstützungsbedarfe, die sich auf die vier Handlungsfelder Aktivität, Betreuung, Management/Verwaltung und Pflege verteilen. Auf der Grundlage der Werte und Unterstützungsbedarfe haben wir mögliche Anwendungsfälle für unterstützende Technologien für jedes Handlungsfeld erstellt. Alle diese Anwendungsfälle sind bereits heute technologisch realisierbar, werden aber derzeit in der Praxis nicht eingesetzt. Dies unterstreicht die Notwendigkeit der Entwicklung wertebasierter Technologien, mit der nicht nur die technologische Machbarkeit, sondern auch die Akzeptanz und Implementierung von unterstützenden Technologien sichergestellt werden kann. Unsere Ergebnisse tragen dazu bei, Werte auszubalancieren und liefern konkrete Vorschläge, wie Ingenieur*innen und Designer*innen Werte in unterstützende Technologien integrieren können.
Buhr, E., Schweda, M. (2022): Technische Assistenzsysteme für Menschen mit Demenz: Zur ethischen Bedeutung von Beziehungen. In: Friedrich, Orsolya et al. (Hg.): Mensch-Maschine-Interaktion – Konzeptionelle, soziale und ethische Implikationen neuer Mensch-Technik-Verhältnisse. Paderborn: mentis, 284-301
Abstract: Angesichts des demographischen Wandels, der Veränderung traditioneller familialer Sorgestrukturen und des Fachkräftemangels in der professionellen Pflege wird verstärkt auf technische Lösungen gesetzt, um Menschen mit Demenz so lange wie möglich eine eigenständige Lebensführung zu ermöglichen und die anspruchsvolle und zeitaufwändige Betreuung und Pflege in fortgeschrittenen Stadien demenzieller Erkrankungen sicherzustellen.
Der Umgang mit Menschen mit Demenz aufgrund ihrer fortschreiten¬den kognitiven Beeinträchtigungen und ihrer entsprechend erhöhten Vulnerabilität mit spezifischen Anforderungen verbunden. Dabei wird stets die Bedeutung vertrauter Beziehungen für die Selbstbestimmung und das Wohlergehen der Betroffenen hervorgehoben. So soll sich professionelle Pflege von Menschen mit Demenz etwa in Beziehungen vollziehen, die allen Beteiligten Erfahrungen von Sicherheit, Erfüllung und Sinnstiftung ermöglichen. Der Einsatz technischer Assistenzsysteme kann tief in dieses grundlegende Netz von Sorgebeziehungen eingreifen und es auf unterschiedliche Weisen beeinflussen und verändern. So verbindet sich mit der Digitalisierung der Pflege einerseits vielfach die Erwartung, dass assistive Technologien zeitliche und personelle Kapazitäten für emotionale Zuwendung und soziale Interaktionen freisetzen und Sorgebeziehungen dadurch stärken könnten. Andererseits werden immer wieder auch Befürchtungen laut, dass menschliche Pflege und Begleitung im Zuge der Automatisierung kurzerhand durch technische Assistenz ersetzt werden könnten.
Vor diesem Hintergrund geht der Beitrag der Frage nach, welche ethische Bedeutung der Einsatz technischer Assistenzsysteme mit Blick auf die für Menschen mit Demenz entscheidenden Sorge-beziehungen haben könnte. Dazu geben wir zunächst einen Überblick über das Spektrum an assistiven Technologien, die derzeit zur Unterstützung der selbständigen Lebensführung und pflegerischen Versorgung von Menschen mit Demenz entwickelt und zum Einsatz gebracht werden. Im Anschluss vergegenwärtigen wir die Bedeutung von Beziehungen für das Leben und die Pflege von Menschen mit Demenz und untersuchen, welche Auswirkungen der Einsatz technischer Assistenzsysteme in dieser Hinsicht entfalten kann. Dabei beziehen wir uns auf das in der Demenzpflege anerkannte „Senses-Framework“ nach Mike Nolan. Auf dieser Grundlage umreißen wir abschließend Anforderungen an einen Technikeinsatz in der Pflege von Menschen mit Demenz, der eine wertschätzende und anerkennende Beziehungsgestaltung zulassen, gewährleisten oder gar fördern kann. Dabei argumentieren wir, dass für die Knüpfung, Aufrechterhaltung und Kultivierung bedeutsamer Beziehungen in diesem Bereich insbesondere Vertrauen, relationale Privatheit und reziproke Sorge maßgeblich sind.
Buhr, E., Schweda, M. (2022): Der Wert des Privaten für Menschen mit Demenz. In: Ethik Med 266 (5), S. 7. DOI: 10.1007/s00481-022-00723-9.
Abstract: Der Begriff der Privatheit markiert eine erstaunliche Leerstelle in der Diskussion um die Pflege von Menschen mit Demenz (MmD). Der sonst intensiv geführte pflegeethische Diskurs über Fragen der Privatheit scheint hier nahezu vollständig zu verstummen, so als verlören MmD im Verlauf ihrer Erkrankung jedes nachvollziehbare Interesse an einer Privatsphäre und verfügten über keinerlei privaten Bereich mehr, den man bei ihrer pflegerischen Versorgung beachten oder schützen müsste. Eine solche Vorstellung widerspricht allerdings nicht nur verbreiteten moralischen Intuitionen, sondern auch den Auffassungen und Bedürfnissen der Betroffenen selbst. Vor diesem Hintergrund gehen wir der Frage nach, inwieweit sich die Bedeutung von Privatheit für MmD ethisch verständlich und plausibel machen lässt. Zu diesem Zweck werden zunächst die Herkunft und die verschiedenen Bedeutungsdimensionen des Privatheitsbegriffs selbst umrissen, um anschließend seine Schwierigkeiten und Grenzen im Kontext demenzieller Erkrankungen aufzuzeigen. Wie sich dabei herausstellt, kann insbesondere der ausgeprägte Autonomiebezug vorherrschender liberaler Privatheitskonzepte ein erhebliches Hindernis für eine angemessene Konzeptualisierung der Bedeutung der Privatheit für MmD darstellen. Aus diesem Grund loten wir im Anschluss unterschiedliche Möglichkeiten aus, wie sich der „Wert des Privaten“ im Kontext demenzieller Erkrankungen auch losgelöst vom Recht auf individuelle Selbstbestimmung konzeptualisieren ließe. Während autonomiebasierte Konzepte von Privatheit in frühen Stadien noch tragen mögen, wird mit Blick auf den weiteren Krankheitsverlauf daher auch der Relevanz von erkennbaren persönlichen Präferenzen sowie objektiven Bedingungen von Würde und Wohlergehen nachgegangen. Auf diesem Weg lässt sich differenziert aufzeigen, inwiefern Privatheit auch für MmD von Bedeutung sein und im pflegerischen Umgang mit ihnen angemessen berücksichtigt werden kann.
Buhr, E., Welsch, J. (2022): Privacy-sensitive Empowerment. Towards an Integrated Concept for Technology Assisted Care for People with Dementia. In: Rubeis, G. et al. (Hg.): Digitalisierung der Pflege. Interdisziplinäre Perspektiven auf digitale Transformation in der pflegerischen Praxis. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 185-197, ISBN E-Lib: 9783737014793, Open Access.
Abstract: Die demografische Alterung und die zunehmende Prävalenz kognitiver Störungen verschärfen den bereits bestehenden Pflegenotstand. Gleichzeitig werden stetige Fortschritte im Bereich der Digitalisierung und der Entwicklung von Überwachungssystemen, mobilitätsunterstützender Robotik und sogar sozialen Robotern gemacht, die in der Pflege von Menschen mit Demenz (MmD) eingesetzt werden sollen. Diese Geräte sind soziotechnische Systeme, die wir als co-intelligente Assistenzsysteme für die Demenzpflege (CIMADeC) bezeichnen, da sie auf Mensch-Maschine-Interaktionen beruhen. Der Einsatz der genannten Technologien in institutionellen und informellen Versorgungssettings wird häufig als Lösung für die aktuellen Herausforderungen der Demenzpflege dargestellt, da sie das Potenzial haben, ein unabhängiges Leben zu unterstützen, drohende Probleme und Krisen zu erkennen oder vorherzusagen, die Pflegekräfte zu entlasten und die Gesamtqualität und Kosteneffizienz der Demenzpflege zu erhöhen. Erste empirische und ethische Einschätzungen deuten jedoch auf eine grundlegende Ambivalenz hin. Für die Pflegenden können solche Systeme eine Unterstützung in ihrer Arbeit bedeuten, aber auch ihre (manchmal ohnehin schon prekären) Arbeitsbedingungen bedrohen. CIMADeC könnten MmD empowern, z.B. durch mehr Sicherheit und Unabhängigkeit, aber möglicherweise auch ihre Privatsphäre gefährden. CIMADeC bietet daher vielversprechende Ansatzpunkte, um Empowerment und Privatsphäre als normative Leitkonzepte in der Demenzpflege zu untersuchen. Ausgehend von der Annahme, dass mangelnde Klarheit auf der begrifflichen Ebene die konkrete Pflegesituation als einen nicht zuletzt kommunikativen Prozess zwischen den Beteiligten erschwert, werden wir die Konzepte von Empowerment und Privacy spezifizieren und Privacy-sensitive Empowerment (PSE) als integriertes ethisches Konzept für die technologiegestützte Pflege von Menschen mit Behinderung vorschlagen. Wir schlagen das integrative Konzept der PSE vor, um normative Konflikte zu reflektieren und eine ethische Orientierung für deren Lösung zu bieten. Um PSE als integratives ethisches Konzept einzuführen, werden wir in einem ersten Schritt Empowerment und Privatsphäre als relevante ethische Aspekte im Kontext von CIMADeC für Menschen mit Demenz entfalten. In einem nächsten Schritt stellen wir die möglichen normativen Konflikte zwischen ihnen dar. Schließlich stellen wir mit PSE einen empirisch-informierten Ansatz vor, der die Konzepte von Empowerment und Privatheit miteinander verbindet. Wir skizzieren einen empirisch fundierten ethischen Ansatz, um die gesamte Bandbreite praktischer und kontextspezifischer Aspekte von Empowerment und Privatheit in CIMADeC zu untersuchen. Unser Ansatz bietet erstens einen Rahmen für die ethische Reflexion über Konflikte zwischen Autonomie und Privatsphäre. Zweitens bietet er eine hilfreiche ethische Orientierung für die Praxis der Pflege, wenn die Forderungen nach mehr Selbstbestimmung und gelebter Privatheit in Konflikt geraten.
Arbeitspapier der Stakeholder-Konferenz zu Digitalen Assistenzsystemen für Menschen mit Demenz, pflegende Angehörige und Pflegekräfte im Rahmen des EIDEC-Projektes am 31.03.2022. Arbeitspapier zum Download
Abstract: Das interdisziplinäre Konsortium des EIDEC Projektes untersucht soziale und ethische Aspekte bei der Anwendung intelligenter Monitoring und Assistenzsysteme (MAS) in der häuslichen und stationären Demenzversorgung. Ziel des Projektes ist es, Wertvorstellungen und Akzeptanzkritierien bei der Anwendung von MAS zu identifizieren, Konflikte zu reflektieren und den Einsatz von MAS in der Versorgungspraxis zu erleichtern. Im Rahmen des Teilprojektes (TPs) 1 „Wertsensitives und affektbewusstes Design“ wurde in Rostock am 31. März 2022 eine Stakeholder Konferenz zum Thema „Digitale Assistenzsysteme für Menschen mit Demenz, pflegende Angehörige und Pflegekräfte“ mit lokalen Akteuren der Demenzversorgung veranstaltet. Die Konferenz wurde im Format eines World Cafés abgehalten.
Welsch, J. (2022): Empowerment and Technology. An ethical-empirical exploration of technology-assisted dementia care. Poster zum Download
Abstract:
Löbe, C., Abo Jabel, H. (2022): Empowering people with dementia via using intelligent assistive technology: A scoping review. Archives of Gerontology and Geriatrics, 101(104699). DOI: 10.1016/j.archger.2022.104699
Abstract: Zielsetzungen: In den letzten zehn Jahren wurde die Idee gefördert, dass intelligente assistive Technologien (IAT) Menschen mit Demenz unterstützen können. Da es sich um ein neues Forschungsgebiet handelt, sind das Konzept des Empowerments und die Auswirkungen von IAT in diesem Zusammenhang jedoch noch unklar. Daher haben wir eine Übersichtsstudie durchgeführt, um die Konzeptualisierung und Messung von Empowerment zu untersuchen und die Auswirkungen von IAT auf die Befähigung von Menschen mit Demenz in den vorhandenen Studien zu verstehen.
Aufbau: Es wurde eine Übersichtsarbeit in Übereinstimmung mit den PRISMA-Richtlinien (Preferred Reporting Items for Systematic Reviews and Meta-Analyses) unter Verwendung der folgenden Datenbanken durchgeführt: Pubmed, Cochrane Library, Web of Science und Science Direct. Darüber hinaus wurde eine manuelle Suche in Google Scholar durchgeführt, um weitere Artikel zu finden.
Ergebnisse: Insgesamt 28 Artikel, die das Empowerment von Menschen mit Demenz durch IAT untersuchten, erfüllten die Einschlusskriterien. Die meisten hatten ein Querschnitts- (43 %) oder Interventions-/Experimental-Design (39 %). Etwas mehr als die Hälfte (54 %) waren qualitative Studien. In den eingeschlossenen Studien wurden Inkonsistenzen bei der Konzeptualisierung und Messung des Empowerment-Konzepts festgestellt, so dass die genaue Rolle von IAT in diesem Zusammenhang etwas unklar bleibt. Die meisten Studien deuten jedoch darauf hin, dass IAT Menschen mit leichter/mittlerer Demenz stärken kann, indem es ihre Fähigkeit verbessert, länger unabhängig und mit Privatsphäre zu leben.
Schlussfolgerungen: Künftige Forschungsarbeiten sollten sich auf die Entwicklung einer klaren Definition des Konzepts der Befähigung sowie auf die Entwicklung eines zuverlässigen und gültigen Instruments zu seiner Messung konzentrieren.
Schicktanz, S., Schweda, M. (2021): Aging 4.0? Rethinking the ethical framing of technology‐assisted eldercare. History and Philosophy of the Life Sciences, 43(93). DOI: 10.1007/s40656-021-00447-x
Abstract: Technologische Ansätze werden zunehmend als Lösung für die Unterstützung bei den Aktivitäten des täglichen Lebens sowie bei der medizinischen und pflegerischen Versorgung älterer Menschen diskutiert. Die Entwicklung und Implementierung solcher assistiven Technologien für die Altenpflege wirft vielfältige ethische, rechtliche und soziale Fragen auf.Die Diskussion dieser Fragen wird durch theoretische Perspektiven und Ansätze aus der Medizin- und Pflegeethik beeinflusst, insbesondere durch den prinzipienorientierten Rahmen von Autonomie, Non-Maleficence, Beneficence und Gerechtigkeit. Der vorliegende Beitrag knüpft an die bisherige Kritik an und nimmt diese Prinzipien als Ausgangspunkt und Bezugsrahmen, um sie kritisch zu hinterfragen. Es soll daher aufgezeigt werden, wie bestehende ethische Rahmenwerke erweitert oder überdacht werden müssen, um die ethischen Fragen zu erfassen, die sich durch die technologischen Entwicklungen in der Altenpflege stellen. In einem ersten Schritt geben wir einen kurzen Überblick über unterstützende Technologien in der Altenpflege nach ihren Zwecken und Funktionen. Im nächsten Schritt erörtern wir, wie die Fragen und Probleme, die durch neue Technologien in der Altenpflege aufgeworfen werden, eine Erweiterung, Neuinterpretation und Überarbeitung des prinzipienorientierten Rahmens erfordern. Wir betonen, dass die Einbeziehung ethischer Perspektiven aus den Ingenieurwissenschaften und der Informatik sowie eine stärkere Berücksichtigung sozio-politischer Dimensionen und grundlegender anthropologischer und praxeologischer Fragen erforderlich sind.
Schweda, M., Schicktanz, S. (2021): Ethische Aspekte co-intelligenter Assistenztechnologien in der Versorgung von Menschen mit Demenz. Psychiatrische Praxis, 48(01). 37–41. DOI: 10.1055/a-1369-3178
Abstract: Intelligente technische Assistenzsysteme werden zunehmend als Lösung für die Versorgung von Menschen mit Demenz diskutiert. Der Beitrag betrachtet zentrale ethische Herausforderungen des Einsatzes derartiger Assistenzsysteme. Dabei konzentriert er sich auf Fragen der Privatheit und des Empowerments.
Shaukat, M. S., Põder, J.-C., Bader, S., & Kirste, T. (2021). Towards Measuring Ethicality of an Intelligent Assistive System. Proc. 1st AITHICS workshop (Artificial Intelligence and Ethics) held at 44th German Conference on Artificial Intelligence (KI-2021). DOI: 10.48550/ARXIV.2303.03929
Abstract: Auf künstlicher Intelligenz (KI) basierende Assistenzsysteme, so genannte intelligente assistive Technologien (IAT), werden zunehmend allgegenwärtig. IAT können zur Steigerung von Lebensqualität beitragen, indem sie auf der Grundlage der bereitgestellten Daten intelligente Hilfe leisten. Einige Beispiele für solche IATs sind selbstfahrende Autos, Roboterassistenten und Lösungen im Bereich „Smart Health“. Das Vorhandensein solcher autonomen Einheiten stellt die an der Nutzung dieser Systeme beteiligten Akteure jedoch vor ethische Herausforderungen. Zudem gibt es eine Forschungslücke in der Analyse, wie solche IAT die vorgesehenen ethischen Vorschriften einhalten, da eine solche Analyse mit ethischen, logistischen und finanziellen Herausforderungen verbunden ist. Vor dem Hintergrund dieser Problemstellung stellen wir eine Methode zur Messung der "Ethizität" eines Assistenzsystems vor. Um diese Aufgabe zu erfüllen, haben wir unser Simulationswerkzeug eingesetzt, das sich auf die Modellierung der Navigation und Unterstützung von Menschen mit Demenz (MmD) in Innenräumen konzentriert. Mit Hilfe dieses Tools analysieren wir, wie gut verschiedene Assistenzstrategien die vorgegebenen ethischen Regeln der Stakeholder, wie Autonomie, Gerechtigkeit und Nutzen, einhalten.
Shaukat, M. S., Hiller, B. C., Bader, S., & Kirste, T. (2021). SimDem: A Multi-agent Simulation Environment to Model Persons with Dementia and their Assistance. 4th International Workshop on AI for Aging, Rehabilitation and Independent Assisted Living held at IJCAI 2021. http://arxiv.org/abs/2107.05346
Abbstract: Die Entwicklung von auf künstlicher Intelligenz basierenden Assistenzsystemen zur Unterstützung von Menschen mit Demenz (MmD) erfordert große Mengen von Trainingsdaten. Die Datenerfassung wirft jedoch ethische, rechtliche, wirtschaftliche und logistische Probleme auf. Tools zur Generierung synthetischer Daten stellen in dieser Hinsicht eine mögliche Lösung dar. Wir sind jedoch der Meinung, dass die bereits verfügbaren Tools kognitive Defizite in der Verhaltenssimulation nicht angemessen abbilden können. Um diesen Problemen entgegenzuwirken, schlagen wir ein Simulationsmodell (SimDem) vor, das sich in erster Linie auf die kognitiven Beeinträchtigungen von MmD konzentriert und von den Benutzenden leicht konfiguriert und angepasst werden kann, um Hilfslösungen zu modellieren und zu bewerten.
Krohm, S. (2021): ‚Female‘ Care and ‚Male‘ Technology? Pflege und technische Assistenzsysteme aus Sicht beruflich Pflegender - Eine explorative qualitative Interviewstudie. Poster zum Download
Abstract: Ziel der Arbeit war eine explorative Untersuchung der Sicht von beruflich Pflegenden auf Pflege und technische Assistenzsysteme für Menschen mit Demenz mit einem Fokus auf die Relevanz von Geschlecht und Geschlechterstereotypen. Dazu wurden 21 leitfadengestützte Expert*inneninterviews mit beruflich Pflegenden geführt, die mit Hilfe einer strukturierenden qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet wurden. Ergebnisse: Geschlechterstereotype und das Thema Geschlecht werden von den befragten Pflegenden vor allem im Zusammenhang mit Technikinteresse und -kompetenzen zur Sprache gebracht, aber auch im Kontext von Intimpflege, äußerem Erscheinungsbild und physischer Stärke. Latent spielt Geschlecht zudem im Zusammenhang mit den Idealen guter Pflege eine Rolle. So sind diese oft mit der Betonung von Empathie, Kommunikation und der Komponente der Gefühlsarbeit verknüpft, die zugleich besonders Frauen stereotyp zugeschrieben werden. Pflegekräfte betonen hier vor allem soziale und emotionale Aspekte im Pflegehandeln. Weiterhin werden Kommunikation und Interaktion mit den Patient*innen und Bewohner*innen und Einsamkeit von Pflegebedürftigen, besonders im häuslichen Bereich, angesprochen. Für einige Pflegende steht dies im Konflikt mit dem Einsatz von gewissen assistiven Systemen, die diese sozio-emotionale Ebene von Pflege nicht ausführen könnten. Dem gegenüber steht der potenzielle Gewinn an Autonomie und Privatsphäre für Betroffene. Gerade im Hinblick auf den Umgang mit Technik sehen Pfleger*innen aber auch Alter und Generationszugehörigkeit als wichtige Einflussgrößen. Vor allem in der Interaktion von älteren pflegebedürftigen Personen mit physischen Robotern werden Überforderung und Ängste prognostiziert. Dies wird im Besonderen auf Generationszugehörigkeit bezogen, weshalb die Systeme erst in einigen Jahren oder Jahrzehnten erfolgreich in der Praxis etabliert werden könnten, wenn die Generation der Digital Natives in das Alter einer Pflegebedürftigkeit käme. Der Einsatz von Technologien wie Ortungssystemen hingegen, die keiner komplexen Bedienung durch Betroffenen selbst erfordern bzw. kein pflegerisches Handeln am Menschen substituieren, wird durchweg recht positiv bewertet.
Schweda, M., Kirste, T., Hein, A., Teipel, S., Schicktanz, S. (2019): The emergence of co-intelligent monitoring and assistive technologies in dementia care - an outline of technological trends and ethical aspects. Bioethica Forum, 12 (1/2). 29–37. DOI: 10.24894/BF.2019.12008
Abstract: Dieser Beitrag befasst sich mit ethischen Aspekten von co-intelligenten Überwachungs- und Hilfstechnologien in der Demenzpflege (CIMADeC). Ziel ist es, einen Überblick über zentrale praktische Probleme und ethisch relevante Fragen zu geben. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf zwei zentralen Themen bei der Entwicklung solcher Systeme für die vulnerable Gruppe der Menschen mit Demenz: Pri-vacy und Empowerment. Wir geben zunächst einen Überblick über den Stand der Technologieentwicklung im Bereich CIMADeC. Auf dieser Grundlage wenden wir uns der ethischen Debatte über assistive Technologien im Kontext von Demenz zu, um ethische Aspekte und offene Fragen dieser neuen Form der Demenzversorgung herauszuarbeiten. Vor dem Hintergrund eines allgemeinen Überblicks über ethische Fragen werden in der Analyse Probleme der Privatsphäre und der Befähigung näher beleuchtet. Die Diskussion unterstreicht die Bedeutung der interdisziplinären Zusammenarbeit zwischen Technik, Pflege und Ethik. Eine entscheidende Frage ist, wie die ethischen Belange der Nutzer und anderer Interessengruppen im Sinne einer partizipativen Technologieentwicklung berücksichtigt werden können.